Vielfalt war schon immer ein wichtiges Kennzeichen des dpr award – in diesem Jahr jedoch fällt der Preis zur digitalen Transformation der Medienbranche diverser denn je aus. Dies gilt sowohl für die Angebote an sich als auch die UnternehmerInnen und Zielgruppen. Die von der Jury am vergangenen Wochenende gekürte Shortlist des nunmehr zum vierten Mal verliehenen dpr award zeugt von der großen Bandbreite der KandidatInnen. Weitere Trends sind der fortgesetzte Fokus auf Audio-Angebote, die Praxisreife von Künstlicher Intelligenz und die Tatsache, dass immer mehr Verlage sich zu Software-Anbietern entwickeln.
Die unter mehr als 60 Bewerbungen ausgewählten Produkte und Services von Verlagen, Medienhäusern, Start-ups und Digitaldienstleistern ziehen in die Endrunde ein. Der Preis wird am 5. Oktober 2022 im Rahmen einer großen Digitalkonferenz verliehen (hier geht es zur Anmeldung).
Die Shortlist
Die zehnköpfige Jury des dpr award hat die Shortlist für die Kategorien Produkt/Geschäftsmodell, Prozess/Technologie und Start-up bestimmt. Die finalen SiegerInnen aus den Kategorien werden gemeinsam mit den GewinnerInnen der Kategorien Digital Leader(ship) und Sonderpreis (für die es keine Shortlist gibt) im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse präsentiert.
PRODUKT/GESCHÄFTSMODELL
Carl Hanser Verlag: eCampus
FeuerTrutz Network: FeuerTrutz Composer
Tonies: Tonies Audiothek
Universal Edition: Getnote
PROZESS/TECHNOLOGIE
Knowledge Unlatched: Oable
MORESOPHY: CONTEXTCLOUD
Pondus: Pondus Radar
Wolters Kluwer: Legal Analytics
START-UP
Anymate Me: Anymate Me
Enna Systems: Enna
Kekz: Kekz-Kekzhörer
Varia: Varia Research
Die Trends 2022
Zahlreiche Pandemie-Geburten: Insbesondere unter den Start-ups sind einige Bewerbungen von Produkten und Services zu beobachten, die in der Pandemie entstanden sind und/oder sich auf ihre Herausforderungen und Probleme beziehen: seien es Education- bzw E-Learning-Angebote (Hansers eCampus), spezielle Kindermedien für den Lockdown (darunter digitale Vorlese-Services wie Lesido und Librileo) oder Onlinekurse für psychisch belastete Menschen (Actitude).
Diverser denn je: Vielfalt war schon immer ein wichtiges Kennzeichen des dpr award – in diesem Jahr jedoch fällt der Preis zur digitalen Transformation der Medienbranche diverser denn je aus: Inhaltlich reicht das Portfolio der Bewerbungen von AR-Apps, App-Books über digitale Vorleseclubs, zahlreichen KI-Services bis hin zu neuen Audio- und Video-Plattformen. Auffällig dabei ist der wachsende Anteil von Einreichungen speziell von oder für Pressemedien. Auch bei den UnternehmerInnen und Zielgruppen selbst herrscht größte Vielfalt: Bei den Startups sind die Entrepreneure mindestens zur Hälfte weiblich. Einzelne Angebote richten sich überdies gezielt an MigrantInnen, beispielsweise speziell muslimische Frauen, Senioren oder Menschen mit psychischen Belastungen.
Trendthema Audio: Auch in diesem Jahr widmen sich zahlreiche Einreichungen dem Megatrend Audio, darunter sind erneut B2C- und B2B-Angebote. Die Bandbreite reicht von interaktiven Audio-Walks (Story Dive) bis hin zum Service zur Erstellung von interaktiven Hörbüchern (Audory).
KI praxisreif: Vor einigen Jahren fehlte es der Künstlichen Intelligenz in der Medienbranche noch an use cases, also sinnvollen Anwendungsfällen. Dies hat sich inzwischen geändert. KI wird beispielsweise für die Auflagenplanung (Pondus Radar), das Erstellen von Personas (Rippler Media: Persona Institut) oder Recherchen von JournalistInnen (Varia Research) oder JuristInnen (Legal Analytics von Wolters Kluwer) eingesetzt.
Medienunternehmen als Software-Anbieter: Verlage, die selbst Software entwickeln und diese B2B-KundInnen oder sogar WettbewerberInnen anbieten, waren früher Exoten. Auch das hat sich geändert. Der Vulkan Verlag bietet eine Augmented-Reality-App als White-label-Service für die Fachkommunikation seiner B2B-Kunden an. Hanser stellt ein umfangreiches E-Learning-Angebot vor. Der Verlag an der Ruhr entwickelt Whiteboard-Lösung für Grundschulen. Und Universal Edition startet mit Getnote eine gemeinsame Plattform zum digitalen Vertrieb von Musik/Notenausgaben.
Die Jury 2022
In der Jury des dpr awards finden sich diese Digitalexperten:
● Katherine Heumos (Microsoft)
● Kathleen Jaedtke (Hubspot)
● Fabian Kern (digital publishing competence)
● Nina Klein (ECOLISE / Börsenverein)
● Christian Kohl (Kohl Konsulting)
● Frank Krings (Frankfurter Buchmesse)
● Marco Olavarria (Berlin Consulting)
● Tobias Ott (Pagina, Sieger in der Kategorie „Digital Leader(ship)“ 2020)
● Ralph Möllers (Book2look, Sieger in der Kategorie „Digital Leader(ship)“ 2021)
● Alexander Pinker (Alexander Pinker Innovation-Profiling)
Der dpr award zeichnet herausragende Projekte aus, mit denen Verlage und Medienunternehmen die digitale Transformation meistern. Im Fokus stehen Innovationen im Bereich des digitalen Publizierens: herausragende Produkte, Prozesse oder Geschäftsmodelle, mit denen Verlage, aber auch verlagsähnliche Akteure ihre Inhalte publizieren. Verliehen wird der Award von Daniel Lenz und Steffen Meier, den Herausgebern des DIGITAL PUBLISHING REPORT.
Die Preisverleihung des dpr award findet im Rahmen einer großen Digitalkonferenz am 5. Oktober, 14 Uhr, statt (hier geht es zur Anmeldung).
Die Preise selbst werden auf der Frankfurter Buchmesse überreicht.
Alle Infos zum Preis: https://www.dpr-award.com
Fotos können hier heruntergeladen werden: https://www.dpr-award.com/presse
Kontakt für Rückfragen: Daniel Lenz, lenz@digital-publishing-report.de
BEGRÜNDUNGEN DER JURY ZUR SHORTLIST
PRODUKT/GESCHÄFTSMODELL
Carl Hanser Verlag: eCampus
Der eCampus vermittelt sein Wissen z.B. für die Grundstudiums-Prüfungen in Fächern wie Informatik, Maschinenbau und Elektrotechnik auf einer technisch und didaktisch avancierten Plattform für „Adaptive Learning“ – dabei werden die Lernpfade an den individuellen Leistungsstand angepasst. Die Jury lobt die Initiative, mit der die hohen Abbrecherquoten in diesen Fächern reduziert werden können.
FeuerTrutz Network: FeuerTrutz Composer
Das Angebot der Fachverlagstochter der Rudolf Müller Mediengruppe erleichtert die vormals komplizierte Erstellung von Brandschutzkonzepten – richtet sich dabei an die sehr spitze Zielgruppe der Fachplaner Brandschutz sowie Architekten mit Planungsaufgaben im Brandschutz. Das Angebot sei ein ideales Beispiel für gut gemachten und sehr nützlichen vertikalen Content, lautet das Votum der Jury.
Tonies: Tonies Audiothek
Mit der Audiothek hat Tonies das Audiosystem 2020 um eine digitale Plattform erweitert, auf der Inhalte heruntergeladen und den physischen Hörfiguren („Tonies“) zugewiesen werden. So können auch sehr folgenintensive Serien wie z.B. „Benjamin Blümchen“ angeboten werden. Aus Sicht der Jury ist die Audiothek ein sehr sinnvolle Erweiterung des bisherigen Angebots.
Universal Edition: Getnote
Die Musikverwertung im Bereich der klassischen Musik ist noch immer stark von analogen Geschäftsmodellen geprägt. „Getnote“ heißt die Softwarelösung der Universal Edition, die anderen Verlagen die technische Infrastruktur zur Verfügung stellt, um Musik digital vertreiben zu können, und zwar mit einem hohen Automatisierungsgrad. Für die Jury ist „Getnote“ das Vorzeigebeispiel eines Verlags, der sein gewonnenen Knowhow inzwischen selbst als Service-Dienstleistung anbietet.
PROZESS/TECHNOLOGIE
Knowledge Unlatched: Oable
Oable ist ein verlagsübergreifend arbeitendes Tool, das die Freigabe-, Bezahl- und Reportingprozesse für Open Access (OA) in Bibliotheken und wissenschaftlichen Einrichtungen standardisieren und dadurch nachhaltig vereinfachen soll. Die Jury traut dem Angebot zu, dazu beizutragen, dass die hohe Komplexität im stark wachsenden OA-Geschäft effizient reduziert wird.
MORESOPHY: CONTEXTCLOUD
Mit der 2021 eingeführten „Contextcloud“ hat das Unternehmen eine Plattform geschaffen, mit der Publisher und MarketingexpertInnen KI-gestützt ihre eigenen Inhalte analysieren und smart mit dem Markt oder Wettbewerb vergleichen können – und zwar semantisch, also kontextbezogen. Die Jury hebt die hohe Qualität der Ergebnisse hervor – und staunt, was diese Firma seit vielen Jahren mit einem vergleichsweise kleinen Team auf die Beine stellt.
Pondus: Pondus Radar
„Pondus Radar“ umfasst KI-Algorithmen, die für verschiedene use cases KI-basierte Absatzprognosen liefern, die verlagsübergreifend über 50% besser ausfallen sollen als menschliche Schätzungen. Dies sei ein sehr nützliches Angebot, so die Jury, das neben betriebswirtschaftlichen Vorteilen auch beim Umweltschutz punkten könne: Das „Radar“ könne womöglich die Remissionen deutlich reduzieren.
Wolters Kluwer: Legal Analytics
Die juristische Recherche findet heute entweder noch stark auf Papier statt oder ist primär Keyword-getrieben: Die NutzerInnen müssen dabei bereits vorher wissen, welche Keywords sie in die Datenbank-Suche eingeben. „Legal Analytics“ soll die Recherche mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz verbessern, vereinfachen und beschleunigen. Ein Produkt mit einem hohen Nutzwert, lobt die Jury das im Mai 2022 vorgestellte Angebot von Wolters Kluwer.
START-UP
Anymate Me: Anymate Me
Bewegtbild gilt als eine Zukunft der Kommunikation. Problem: Videos zu erstellen, ist vergleichsweise aufwändig und teuer. „Anymate Me“ soll als KI-gestützte Plattform eine automatisierte, schnelle und günstige Videoerstellung ermöglichen; auf Knopfdruck sollen die Videos außerdem in mehr als 50 Sprachen lokalisiert werden können. Die Initiative sei angesichts des internationalen Wettbewerbs sehr ambitioniert, die Ergebnisse aber schon heute beachtlich, so die Jury.
Enna Systems: Enna
„Enna“ ist primär ein Dock für Tablets, das eine haptische Bedienung ermöglicht. Statt ein Touchdisplay bedienen zu müssen, können ältere Menschen mit Hilfe von robusten Karten, die aufs Dock aufgelegt werden, Apps bedienen und kommunizieren. Aus Sicht der Jury ist „Enna“ eine überzeugende Inklusions-Lösung für eine Zielgruppe, die bislang oft digital abgehängt wurde, gerade in der Pandemie-Zeit.
Kekz: Kekzhörer
Die „Kekzhörer“ sind Kopfhörer, bei denen Audiochips per Magnet außen in die Ohrmuschel geklickt werden, um so Hörbücher, Hörspiele oder Musik-Alben unterwegs abzuspielen – ohne Handy- oder andere Hardware-Unterstützung. Die Jury erkennt eine kongeniale Ergänzung des erfolgreichen Tonies-Konzepts und lobt den Erfindungsgeist der GründerInnen.
Varia: Varia Research
Für JournalistInnen sind Recherchen oft aufwändig und zeitintensiv. „Varia Research“ soll den Rechercheprozess – insbesondere Medienbeobachtung und Recherche-Organisation – vereinfachen. In einer Applikation sollen relevante Quellen beobachtet und Recherche-Informationen gesammelt werden. Dabei nutzt das Angebot Künstliche Intelligenz, um passende Artikel zu empfehlen. Die Jury betont den großen Nutzen der Anwendung für JournalistInnen.